Mit dem Dreijahresthema „glaubwürdig? Mission postkolonial“ nehmen wir den 2014 gesponnenen Faden wieder auf und knüpfen ein neues Netz: durch die Berücksichtigung anderer Perspektiven, im Gespräch mit anderen Disziplinen, in Kooperation mit anderen Einrichtungen. Durch Fragen – insbesondere durch das kritische Hinterfragen scheinbarer Gewissheiten – wollen wir Impulse setzen, die Anstöße fürs lebenslange und lebensbreite Lernen geben.
"Dienet dem Reich Gottes, nicht dem deutschen Reich" - mit diesen Worten entsandte Missionsdirektor Karl v. Schwartz 1893 die ersten Leipziger Missionare zum Kilimanjaro in die Kolonie Deutsch-Ostafrika. Damit beginnt das Kapitel kolonialmissionarischer Tätigkeit Leipzigs.
Die Leipziger Mission war mit ihrer Arbeit in Südaustralien und Indien von Beginn an in kolonialen Kontexten tätig. Allerdings war das Kolonialregime immer anderer Nationalität gewesen, was z.B. die Tätigkeit der Missionare in Australien in besonderer Weise beschwerte, insofern als deren spezifische Schularbeit mit Angehörigen der Gemeinschaften der Kaurna und Ngarrindjerri den kolonialen Machthabern nicht gelegen kam.
Bereits seit 1881 drängte der fränkische Pfarrer Matthias Ittameier die Leipziger Mission zur Aufnahme der Ostafrika-Mission und gründete, weil Leipzig zögerte, die eigene Hersbrucker Wakamba-Mission. In den Argumenten der Leipziger Missionsleitung spielen Überlegungen eine Rolle, ob nicht das religiöse Motiv bei einer zu großen Nähe zum Kolonialregime Schaden nähme, und ob nicht die Tätigkeit in einem deutsch-kolonialen Kontext der Internationalität der Leipziger Arbeit abträglich sein. Die Entscheidung für die Aufnahme der Arbeit in Deutsch-Ostafrika 1892 ist dann durch den Wechsel im Direktorat von Julius Hardeland zu Karl v. Schwartz 1891 initiiert. Wie allerdings der Fortgang der Geschichte zeigt, war es entgegen dem Aussendungswort von v. Schwartz überhaupt nicht zu vermeiden, in die Macht- und Gewaltstrukturen des Kolonialismus verwickelt zu werden: Den Tod der beiden Leipziger Missionare Ewald Ovir und Karl Segebrock 1896 am Meru nimmt die deutsche Kolonialverwaltung zum Anlass einer "Strafexpedition" gegen die Arusha und Meru, durch die viele Männer getötet, die Frauen umgesiedelt, das Vieh konfisziert, Bananenhaine niedergebrannt und anschließend große Ländereien an Siedler aus dem Südlichen Afrika vergeben werden. Nachfolgend wird an der Handelssiedlung Arusha ein deutsches Militärlager errichtet, das den Grundstein für die heutige Stadt Arusha legt.
Die Leipziger Missionsarbeit am Kilimanjaro und den umliegenden Gebieten ist also in den Kolonialismus mehr als verwickelt. Folgt man den Untersuchungen des Theologen R.S. Sugirtharajah1), so ist die Missionsbewegung des 18./19. Jahrhunderts als ganzes ein geistiges Kind des Kolonialismus, da die grundlegende Bibelstelle - der Missionsauftrag nach Matthäus 28, 18-20 - überhaupt erst in dieser Zeit als Begründung für die Ausbreitungsbewegung der Kirche verwendet wird. Unter dieser Vorgabe muss die gesamte Arbeit der Leipziger Mission mit ihren Motiven, ihrem Handeln und ihren Folgen kritisch unter die Lupe genommen werden.
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1) R. S. Sugirtharajah, Eine postkoloniale Untersuchung von Kollusion und Konstruktion in biblischer Interpretation, in: Nehring/Tielesch (2013), Postkoloniale Theologien, S. 123-144.
Sie möchten wissen, wie frühere Generationen der Leipziger Mission über den Kolonialismus gedacht haben? Lesen Sie hier Aussagen von Direktor Carl Paul.
Antje Lanzendorf, geb. Queck, hat an der Universität Leipzig Politikwissenschaft, Kommunikations- und Medienwissenschaft sowie Amerikanistik studiert und im Jahr 2005 ihr Studium mit einem Magisterabschluss beendet.
Schon während ihres Studiums war sie freie Mitarbeiterin der "Freien Presse", nahm an internationalen Workcamps teil und leistete verschiedene Praktika in entwicklungspolitischen Organisationen, beispielsweise im Grundsatzreferat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Als DAAD-Stipendiatin arbeitete sie ein Semester für Probe International in Toronto/Kanada.
Antje Lanzendorf engagiert sich auch heute ehremamtlich für entwicklungspolitische Belange. Sie ist Mitglied im Bündnisrat von erlassjahr.de und im Vorstand des Entwicklungspolitischen Netzwerkes Sachsen.
Sendung "Wortwechsel" im Deutschlandfunk Kultur vom 18.12.2020, Direktor Ravinder Salooja u.a. im Gespräch zu kirchlicher Kolonialgeschichte
Vortrag "Mission - und wie sie sich überlebte" am 21.7.2021 in der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Wittenberg - online zum nachhören.
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